- DER KABYLISCHE FRÜHLING* -

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"Der Mensch ist frei geboren, doch überall liegt er in Ketten."
- Jean-Jacques Rousseau -


Der "Kabylische Frühling" - I




Fällt das Wort "Ureinwohner" denkt man häufig an die Ureinwohner (Nord-) Amerikas; liest man einen der französischen Begriffe für Ureinwohner – "Aborigène" –, fallen einem vermutlich sofort die Ureinwohner Australiens ein.
Dass es im Norden Afrikas (also unweit von Europa) Ureinwohner gibt, die einige Tragödien überstanden haben, davon weiß so gut wie niemand.

Bis Anfang des 8. Jahrhunderts nach Christus lebten in ganz Nordafrika bis hin zu den Kanarischen Inseln ausschließlich Berber, die je nach Region eine eigene Bezeichnung haben (z.B. die Kabylen in Algerien, die Riff-Kabylen in Marokko oder die Los Guanches auf Fuerteventura).


Die arabische Invasion nach dem 7. Jahrhundert n. Chr. (makaber - ein Autovermieter warb mit diesem Thema für seine Autos, s. Fotoausschnitt) hat diese Ureinwohner nicht nur in Nordafrika, sondern auch in Spanien arabisiert und islamisiert. Es ist außerdem bekannt, dass Araber bis nach Frankreich hinein – nämlich bis Poitiers, südwestlich von Paris – gekommen sind.



Diese Zwangs-Islamisierung und -Arabisierung hatte und hat – zumindest im heutigen Algerien – als Ziel immer noch nicht nur allein die Unterdrückung der Berber, sondern möglichst das Auslöschen ihrer Identität, ihrer Sprache, ihrer Kultur, ihrer gesamten Geschichte, usw.

Das beste Beispiel dafür, dass eine Diktatur – egal welcher Art – nie dauerhaft siegt und für "Ruhe" sorgt, sind die Kabylen in den Bergen Nordalgeriens. In der jüngsten Geschichte war deren Kampf zuerst gegen den Kolonialismus für die Befreiung Algeriens und anschließend (nach der Unabhängigkeit) gegen die sich selbst ernannte Militärdiktatur bzw. die pro-arabische und islamistische Zentralregierung in Algier.

Dieser Kampf hatte den ersten großen Erfolg im Frühjahr 1980, als die kabylische Studentenbewegung die algerische Regierung unter anderem dazu brachte, die kabylische Sprache anzuerkennen.

A20. April 1980 standen die Kabylen den algerischen Machthabern auf gleicher Augenhöhe gegenüber. Die seit 1963 etablierte Machtprobe wurde endlich bezwungen. Der politische Terror der Staatssicherheit, der die Kabylen unterdrückt und in die Knie gezwungen hatte, wurde überwunden. Das kabylische Volk, das fälschlicherweise für immer als niedergeschlagen galt, stand wieder auf wie ein "Phoenix aus der Asche" – tapfer und würdevoll.

Im FRÜHLING 1980 hat das kabylische Volk eindeutig NEIN gesagt.
Es hat zu seiner Existenzverweigerung durch Algerien NEIN gesagt.
Es hat zur Terrorherrschaft des algerischen Regimes NEIN gesagt.
Es hat allen, die versucht hatten, es zu erniedrigen und zu verstümmeln, NEIN gesagt.

Das nennen die Kabylen BERBERFRÜHLING; dieser wird jedes Jahr am 20. April groß gefeiert.

Die Anerkennung der Muttersprache war der Grundstein für weitere Aktionen, mit dem Ziel, die Zwangsassimilierung zu stoppen und die Kabylen als Volk anzuerkennen.

Das immer wieder geforderte Recht der Kabylen, das zu sein, was sie sind – nämlich Kabylen und keine Araber – und die ständigen Auseinandersetzungen mit den staatlichen Organen der Zentralregierung, endeten trotz ersichtlich friedlicher Demonstrationsabsichten im Frühjahr 2001 mit einem Blutbad:

Im FRÜHLING 2001 traten Kinder von denjenigen, die 1980 Geschichte geschrieben hatten, mit Mut, Entschlossenheit und Bravour deren Nachfolge an. Sie haben auch – mit noch mehr Nachdruck als ihre Eltern – NEIN gesagt.
Die Gendarmen haben als Antwort Kriegswaffen befehlsmäßig eingesetzt und 127 Jugendliche kaltblütig erschossen sowie weitere Tausende schwer verletzt.

Das nennen die Kabylen SCHWARZER FRÜHLINGdiesem wird jedes Jahr parallel zum Berberfrühling gedacht.

Der 20. April ist der aus den Tiefen der Kabylei kommende Ruf für Freiheit. Er darf nicht ungehört bleiben, er ist auszubreiten – lautstark ist zu er zu schreien, nicht nur ins Gesicht Algeriens, sondern in alle Welt.

Die Nachbarländer in Ost, West und Süd sahen weg und tun dies immer noch, da die Machthaber in Algier nicht nur Erdöl- und Erdgas-Barone sind, sondern eine Militärmacht verkörpern.

Was die Nachbarn des Nordens jenseits des Mittelmeers betrifft, waren seit Frühjahr 2001 bis in die heutige Zeit fast alle hochrangigen europäischen Personen des politischen und offiziellen Lebens (Präsidenten, Kanzler, Könige) sowie ebenfalls die „Weltmeister der Menschenrechte“* zu Besuch in Algerien. Nicht ein einziger hat ein einziges Wort über das einzigartige Massaker vor der Tür der EU-Staaten verloren. Keiner wollte bzw. WILL sich in die inneren Angelegenheiten Algeriens einmischen, aber jeder wollte bzw. WILL in dem Inneren der Sahara (Erdgas- und Erdölgeschäft) mitmischen. Ein Wegschauen, das am Anfang des 3. Jahrtausends durch wirtschaftliche Interessen belohnt wird, ist ein beispielloses Armutszeugnis für ignorante, über Menschenrechte hinweg sehende Personen, die nur an Geschäft und Profit interessiert sind.

Nichtsdestotrotz werden die Kabylen (Menschen mit eigener Heimat, aber ohne Menschenrechte) jedes Jahr am 20. April wieder auf die Straße gehen, mit einem lachenden Auge werden sie den Jahrestag des Berberfrühlings feiern und mit einem weinenden Auge dem Jahrestag der Opfer des Schwarzen Frühlings gedenken.  
Ihr unermüdlicher Einsatz für eine demokratische Kabylei und ihr Kampf mit friedlichen Mitteln gegen Diktatur, Islamismus und Terrorismus haben die Kabylen u.a. mit viel Menschenleben bezahlt.

Es bleibt zu hoffen, dass sich Demokratie bald durchsetzt.



*Menschenrechtskommission der Europäischen Union

(Text, Idee: "Manis", Ausarbeitung durch die Autorin)




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